Aktuelles |
Die beinahe 30-stündige Anreise nach Eldoret erfordert gute Nerven und eine gewisse Belastbartkeit. Von Frankfurt ging es mit Zwischenstop in Istanbul nach Nairobi, von wo uns noch 300km Landstrasse im Kleinbus bevorstanden. Vorbei am berühmten Nakuru Nationalpark, den Äquator überquerend windet sich der Trans African Highway hinauf ins Hochland von Kenia auf über 2000m in die Provinz Rift Valley. Als Reiseteilnehmer hatte ich 3 Läufer aus der Region dabei, die sehr gespannt waren, was sie in den kommenden 9 Tagen so erwarten würde. Wir wollten die weltbesten Langstreckler sehen, unsere kenianischen Lauffreunde besuchen, Safari machen und natürlich auch selbst trainieren.
Die klimatischen Bedingungen sind in dieser Region Kenias aufgrund der enormen Höhenlage mit tagsüber ca. 25° C auch für uns Mitteleuropäer gut erträglich, lediglich die fast senkrecht vom Himmel brennende Äquatorsonne sticht unbarmherzig.
Bei Sonnenaufgang kurz nach 6 Uhr morgens erwacht Eldoret zum Leben. Offiziell leben in der Stadt 230 000 Menschen, wir fragen uns nur wo. Das Zentrum wirkt eher wie ein Dorf, tagtäglich strömen morgens abertausende von Menschen zu Fuß oder mit Matatus (Kleintaxibusse) aus dem dicht bevölkerten Umland auf die Märkte, es herrscht unglaubliches Gewimmel. Es existieren keine Ampeln, Verkehrsschilder, das Chaos scheint aber zu funktionieren.
Auf unserem Programm stand der Besuch des Kiplombe Athletics Trainings and Research Centers, jene Laufschule, welche von der SUN Sportmanagement GmbH durch das Spendenprojekt „LaufSchule Kenia“ unterstützt wird. Die Schule wurde von Cosmas Chemaringo (er war der erste Kenianer, der als Läufer zu Gast in Ulm war) mit von ihm in Deutschland erlaufenen Preisgeldern gegründet und vereint soziale, sportliche und ökologische Aspekte und bietet 35 aus ärmlichsten Verhältnissen kommenden Kindern und Läufern eine Tagesstruktur.
Geplant war ein gemeinsamer Dauerlauf mit den Läufern der Schule – nachdem sie morgens alleine trainiert hatten sollten sie noch ein wenig mit uns „joggen“ und uns das erwartete „kenianische Laufgefühl“ vermitteln…Das „Jogging“ wurde jedenfalls beinhart, unsere Laufbegleiter waren mit dem miserabelstem Equipment (Schuhe mit Löchern etc) aber dafür leichtfüßig unterwegs, wir fühlten uns schwerfällig und atemlos, wurden aber auf der Strecke bestaunt und beklatscht. Zudem rennen ständig barfüssige Kleinkinder voller Freude einige hunderte von Metern mit uns mit und lachen und rufen „Misungos“ („weißer Mann) – na ja, so hatten wir uns doch Kenia vorgestellt!
Es geht mit dem Matatu 30km hinauf ins Höhentrainingsmekka (2400müM) Iten. Der Ort besteht ausschließlich aus mehr oder minder verfallenen Hütten , alles dreht sich hier ums Laufen. Unser Freund und Reiseführer Cosmas begrüßte unzählige Bekannte, Freunde und Laufstars. Die Olympiasieger, Weltmeister und Marathonsieger trifft man hier auf der Strasse, ohne jegliche Starallüren sind sie auskunftsfreudig und an unserer Herkunft interessiert.
Wir schlendern über die Märkte, vorbei am Schild der St. Patricks Highschool. Die Schule ist in der Laufszene weltberühmt: hier kommen sie her, die Weltrekordler, hier trainieren sie, waren sie in der Schule. Spontan bekommen wir eine Audienz beim Schuldirektor und fragen nach dem „Talentsucher“ und „Produzent“ der Weltklasseläufer, dem legendären Brother Colm O`Connell, der auf dem Gelände der Schule wohnen soll. Ein Läufer begleitet uns zu seinem Bungalow, es ist der aktuelle 800m Weltrekordhalter David Rudisha. Er klopft beim Brother und dieser nimmt sich spontan ohne unsere Ankündigung eine Stunde Zeit für ein Gespräch mit uns über seine Talentsuche, seine Trainingsmethoden und die kenianische Laufszene.
Wir fahren mit dem Matatu einige Kilometer außerhalb Eldorets zum Bahntraining, wollen zuschauen wie die Weltelite trainiert. Die Bahn besteht aus roter Erde, es ist staubig und die Sonne brennt von Himmel.Als wir auf dem Gelände ankommen tummeln sich schon einige Trainingsgruppen auf dem Oval und spulen lautlos und diszipliniert ihre Programme ab. Mittendrin ein einziger weißer Läufer, der irgendwie wie ein Anfänger wirkt. Er fragt mich ob ich sein letztes Intervall stoppen könnte, er hätte keine Uhr. Gesagt getan, er hechelt seinen letzten 1000er in 2.42min den Kenianern hinterher und ich möchte wissen wo er denn herkomme. Ja, er komme aus Frankreich und bereitet sich auf die Hallenweltmeisterschaften vor. Er war im olympischen Halbfinale in Peking über 1500m...Da war ich baff, sah er doch so langsam aus inmitten der gazellenartigen schwarzen Läufer. Wir beobachten den zweitschnellsten Halbmarathoni der Welt, die amtierende Crossweltmeisterin und abschließend 3000m Hindernisstar Steven Cherono alias Saif Saaeed Shaheen, plaudern mit ihm, machen Fotos. Es ist beeindruckend, wie knallhart und selbstverständlich das Training abläuft.
Nach dem Bahntraining spazieren wir einige Kilometer zur Hütte unseres Reiseführers Cosmas, der uns zum Mittagessen eingeladen hat. Unterwegs werden wir zufällig Zuschauer eines kleinen 10km-Crossrennens. Kurioserweise erkenne ich den Sieger des Rennen: er war auch Sieger des Ulmer Elite-Stadtlaufs 2009. Die Läuferwelt ist klein.
Wir machen uns auf den Weg, Titus Kosgei zu besuchen. Titus war schon einige Male zu Gast in Ulm und wohnt ca. 80km entfernt von Eldoret im Örtchen Kapcherop auf 2500müM. Fahrzeit für die 80km ungefähr 4,5 Stunden. Na dann, wir mieten uns einen Toyota und ab geht’s. Schnell bekommen wir ein Gefühl für Geschwindigkeit, Bodenwellen, tiefe Löcher und Spurrillen. Ich wage mich ans Steuer, mir ist rätselhaft wie unser Wagen eine solche Piste ohne größeren Schaden aushalten soll. Immer wieder spüre ich die Steine durch das Bodenblech, immer wieder sitzen wir auf, müssen aussteigen.
Titus lebt mit seiner Familie in einer ärmlichen Hütte ohne Wasser und Strom. Ich stelle ihn mir immer wieder hier in Deutschland vor wie er die Rennen dominiert hat, Sieger in Tübingen, Gewinner des Marathons in Regensburg. Von den Preisgeldern konnte er sich Land kaufen und ein Moped – eine unglaubliche Verbesserung seines Lebensstandarts. Wir sind zum Mittagessen geladen, es gibt Ziege und das typische Ugali (Maismehl). Der Ort hat sich vor seiner Hütte versammelt, wir sind die Attraktion, Kinder stehen in einigem Abstand und lachen uns an. Es ist eine andere Welt.
Wir gönnen uns nach den Fahrstrapazen des Vortages einen kleinen Ruhetag, machen ein Lauftraining vor dem Frühstück. Unsere Trainingsstrecke führt an einer Schlachterei vorbei, vor welcher riesige Geier rumstolzieren und weggeworfene Schlachtabfälle aufpicken. Begleitet werden wir wieder von Läufern der Trainingsschule, welche wir schon besucht hatten. Sie träumen von der Gelegenheit, ihr Können in Deutschland zu zeigen und hoffen, über unseren Kontakt irgendwie eingeladen zu werden. Laufen ist für sie die einzige Perspektive, es gibt keine Arbeit, es kümmert sich niemand um sie. Wir verschenken mehr als Trost und Gewissensberuhigung inmitten dieser großen Armut unsere Laufschuhe.
Was wäre eine Keniareise ohne Safari. Wir wagen uns auf die 150km hinab in den ostafrikanischen Grabenbruch zum National Park „Lake Bogoria“, bekannt durch riesige Flamingoschwärme und die aus dem Boden spritzen und sprudelnden heißen Geysire. Wir passieren den Ort Marigad – unglaublich die Hitze und die sengende Sonne. Rings um uns Savanne und am Horizont der Salzsee Bogoria. Die Parks werden streng bewacht, bieten sie doch die allerletzten Rückzugsgebiete der freilebenden Tiere.
Wir sehen Zebras, Flamingos, Strauße, Gazellen etc, beeindruckend, diese Tiere in freier Wildbahn zu erleben.
Wir machen uns auf die Heimreise. Vor uns liegt eine lange holprige Nachtfahrt nach Nairobi, dann der Flug nach Istanbul, ein langer Transit, weiter nach Frankfurt und mit dem Zug nach Ulm.
Die nächste Reise ist schon geplant. Termin ist 11.11 – 20.11.2011. Informationen und Buchung finden Sie hier.